Ja, die Neandertaler kannten Work-Life-Balance. Haben Sie gewusst, dass unsere Stammesvorfahren nicht mehr als drei bis vier Stunden täglich gearbeitet haben? Einige Götter haben zudem verboten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zu arbeiten. Auch im Mittelalter und in den Hochkulturen der Antike wurde eher weniger gearbeitet. Alt geworden sind die Menschen, aber damals nicht.
Heute arbeiten wir sogar, wenn wir krank sind und wir werden trotzdem vergleichsweise steinalt? Auch die gestiegene Produktivität in den 1970er Jahren hat nicht zu einer wirklichen Senkung der Arbeitszeit geführt, obwohl es die Chancen gab. Erlaubt sei auch die Frage, warum wir in einer automatisierten Arbeitswelt 8+ Stunden täglich arbeiten müssen? Dazu kommt noch „always on“ zu sein, dank sozialen Netzwerken, E-Mail und Co.
Wie soll man da entspannen und seine Work-Life-Balance finden? Warum ist die Arbeit so wichtig geworden und warum nimmt sie heute einen so hohen Stellenwert ein? Ist es zudem nicht interessant, dass Unternehmen gleichzeitig zum Stressabbau und der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit massiv in integratives Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) investieren? Wo bleibt das Wohlbefinden?
Gallup-Wissenschaftler erforschen seit Jahren die Forderungen eines gut gelebten Lebens. Als Teil dieser Forschung führten sie eine umfassende globale Studie in mehr als 150 Ländern durch und haben das Wohlbefinden von mehr als 98 % der Weltbevölkerung analysiert. Sie haben das Wohlbefinden in 5 Bereiche eingeteilt: Sozial, Karriere, Emotional, Finanziell und Körperlich. Während 66 % der Menschen sich in mindestens einem Bereich wohl fühlen, sind nur gerade 7 % in allen Bereichen zufrieden. Wenn wir in nur einem Bereich Probleme haben, wie das den meisten von uns ergeht, ist es ausreichend, um Störungen in unserem allgemeinen Wohlbefinden zu spüren. Das ist auch der Kern des Work-Life-Balance-Konzepts, das das Verhältnis von Berufs- und Privatleben betrachtet. Work-Life-Balance Massnahmen versuchen private und berufliche Interessen in Einklang zu bringen.
Hier die TOP 10 Gründe, die eine Work-Life-Balance (WLB) verhindern:
1. Die ständige Suche nach Befriedigung
Wir suchen in der Arbeit immer und immer wieder nach Befriedung, die sich einstellt, weil wir arbeiten oder wenn wir Erfolgserlebnisse erzielen. Die Arbeit an sich fühlt sich gut an und man ist zufrieden und glücklich. Natürlich ist es wie im richtigen Leben: Du wirst durch Arbeit alleine nie glücklich werden, es kommt auf das gesamte Lebenskonzept an.
2. Sich immer mehr leisten wollen
Ständig gibt es einen neuen Grund, um Geld auszugeben. Die Wirtschaft muss ja am Laufen gehalten werden und ohne Konsum geht das nun mal nicht. Hersteller haben Produktzyklen und es muss immer das neueste und Beste sein. Eigentlich sind wir nie richtig zufrieden, mit dem, was wir haben, weil es auch die Werbung schafft, die Kaufbedürfnisse zu wecken. Mit einem leeren Konto kann man aber nichts kaufen, also nehmen wir den zweiten und dritten Nebenjob an, nur um zu konsumieren. Wie der Hamster im Hamsterrad.
3. Noch ein Leistungstest bitte
Der Wert eines Menschen misst sich heute an der Leistung. Also her mit der nächsten Aufgabe und bitte noch ein Leistungstest. Ich bin Extremsportler in der Arbeit und kann immer eine TOP-Leistung abrufen. Work-Life-Balance Fehlanzeige.
4. Nähe – ich will nicht alleine sein
Zuhause fühle ich mich alleine, bei der Anzahl von Single Haushalten verständlich. In der Arbeit bin ich dagegen mit Kolleginnen und Kollegen zusammen. Meine Einsamkeit ist dann für ein paar Stunden verdrängt. Ich muss auch nicht nachdenken, weil ich ja ständig Leistung auf Knopfdruck erbringen darf. Natürlich gehe ich danach mit den Kolleginnen und Kollegen noch weg und endlich zuhause angekommen, bin ich zu müde, um mich mit mir selber zu beschäftigen. Am Wochenende gehe ich dann zum Wellness, um mich von dem Stress zu erholen. Die Frage, die sich stellt, ist: Sieht so Work-Life-Balance aus?
5. Gib mir Lob und Anerkennung
Wir sind hungrig und antrainiert nach ständiger Anerkennung. Da Arbeit ein wesentlicher Teil des Lebens ist, finden wir heute überwiegend Anerkennung in der Arbeit oder werden Sie in der Partnerschaft, Ehe, Familie regelmässig gelobt? In Verbindung mit dem „Flow“ entsteht in der Arbeit eine gefährliche Abhängigkeit, weil wir uns nur noch glücklich und zufrieden in der Arbeit fühlen. Schwierig wird es erst, wenn der Motor stottert, die Leistung nicht stimmt und das Lob ausbleibt.
6. Arbeit = Struktur
Die Arbeit gibt dem Leben für mehr als 12 Stunden eine Struktur. Menschen brauchen Strukturen für Sicherheit, für das Wiederholen von erlerntem, für Lob und Tadel. Dank der Struktur bekommen Monate, Wochen und Tage, ein Gesicht. Der Urlaub ist dann eine eher unangenehme Unterbrechung der Struktur, weil man ja nicht weiss, was auf einen zukommt.
7. Ich bin wichtig – ohne mich geht nichts
Wir wollen gebraucht werden, privat vom Partner und natürlich auch in der Firma. Ohne uns dreht sich das Rad einfach nicht weiter. Erfolgreiche Leistungstiefs in der Arbeit, regelmässige Anrufe nach Feierabend und im Urlaub, sowie gut erfüllte Aufgaben bestätigen uns in unserer Meinung: “ohne uns bricht die Firma zusammen“. Dann kann man natürlich auch nicht entspannen, weil man ja immer gebraucht werden könnte.
8. Etwas anderes nicht tun müssen
Wie viele Menschen gehen zur Arbeit, weil Sie sich dann zuhause elegant vor etwas drücken können, das dann andere machen dürfen. Putzen, Kochen, und Aufräumen sind wohl die Klassiker. Oft bleiben Sie an der Hausfrau hängen oder an der Putzhilfe.
9. Selbsttäuschung
Ja, wir täuschen uns gerne selber und wollen die innere Stimme beruhigen. Wir wollen uns nicht mit uns oder mit unangenehmen Themen beschäftigen und die Arbeit lenkt so gut ab. Natürlich wissen wir von der Selbsttäuschung, aber verdrängen können wir halt einfach auch ziemlich gut.
10. Der Geniesser-Effekt
Wer viel arbeitet, kann erst die wenige freie Zeit geniessen. Klingt verrückt, ist aber so. Die Komprimierung der Erholung auf die wenige freie Zeit schafft einen Genuss-Effekt, der bei Arbeitslosigkeit bspw. nicht eintrifft. Dort geniessen wir den freien Tag, nämlich überhaupt nicht.
Nun legt die Wissenschaft noch einen drauf: Forscher der Universität von Melbourne wollen herausgefunden haben, dass das Gehirn am meisten leistet, wenn man nur drei Tage die Woche arbeitet. Allerdings gilt das wohl eher nur für über 40-Jährige. Sie fanden heraus, dass die kognitiven Fähigkeiten der Untersuchten mit jeder Arbeitsstunde in der Woche zunahmen, bis die Zahl 25 erreicht wurde. Mit jeder weiteren Stunde Arbeit konnten die Forscher sehen, wie die kognitiven Fähigkeiten kontinuierlich wieder sanken. Zu den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zählen unter anderem die Aufmerksamkeit, die Erinnerung, das Lernen, das Problemlösen oder die Kreativität.
Wer zu viel arbeitet, entwickelt gemäss Studien öfter einen ungesunden Lebensstil: mehr Alkohol und Zigaretten, weniger Bewegung, Schlafstörungen und ungesündere Ernährung.
Trotz allem bleibt Arbeit ein wichtiger Bereich unseres Lebens und hat enorm viele Vorteile. Die Frage ist nur, wie viel gesund ist und wie ein Ausgleich aussehen kann.
Setzen Sie sich mit den 10 Punkten intensiv auseinander und bringen Sie sich und Ihre Arbeit in den Einklang. Wichtig ist, dass Sie dauerhaft das tun, was Sie wirklich erfüllt. Wenn Sie heute unzufrieden sind in der Arbeit, dann suchen Sie sich etwas, was Ihnen Spass macht oder probieren Sie doch mal einfach aus, wie es ist, wenn Sie nur 120 h im Monat arbeiten oder ein Sabbatical nehmen. Suchen Sie sich alternative Flows und setzen auf Freunde und Familie. Dann werden Sie auch ausgeglichener.
Fakt ist, dass man Berufserfolg ohne ein erfülltes Privatleben nicht richtig geniessen kann, und vice versa.