Thomas Skipwith ist vierfacher Rhetorik-Europameister und doziert an der ETH Zürich und der Universität Lausanne.
Als Redner, Trainer und Coach vermittelt er laufend die besten Techniken für Kommunikation und Präsentation. In seinen Seminaren und Coachings lernen die Teilnehmer mit Überzeugungskraft und packend zu präsentieren.
Mit Joy Corporate hat er einen Workshop bei Adobe zum Thema Rhetorik geleitet – effektives Fragestellen und Techniken des Zuhörens. Heute beantwortet er alle unsere Fragen im Interview.
- Thomas Skipwith, Sie sind viermal Rhetorik-Europameister geworden. Hat Sie die Kommunikation schon als Kind fasziniert?
Als ich klein war, durften mein Bruder und ich mit meinen Eltern öfter in die USA fahren. Wir haben dort Verwandte und Bekannte besucht. Ich erinnere mich noch insbesondere an einen Anlass: Wir waren eingeladen zum Abendessen in einem Country Club. Es gab viele Tische und plötzlich ist an einem Tisch ein Gast aufgestanden und hat eine kleine Rede zum Besten gegeben. Auch wenn ich nicht mehr so genau weiss, was er erzählt hatte. Woran ich mich erinnern kann, ist, dass er mich stark beeindruckt und viel Applaus geerntet hatte. So wie der Reden halten konnte, das wollte ich auch einmal können.
- Sind Sie überhaupt noch nervös, wenn Sie irgendwo vor Leute treten? Wie gehen Sie mit Nervosität um, haben Sie Tipps?
Eine berühmte Schauspielerin soll einmal gesagt haben: «Wer sagt, er sei nicht mehr nervös, wenn er auf der Bühne steht, lügt.»
Auch ich bin noch nervös, wenn ich eine Rede halte. Die Nervosität allerdings gibt mir die notwendige Energie, um eine Top-Leistung zu bringen. Ich wärme mich vor einer Rede mit Smalltalk auf. Das hilft mir einen Teil der Teilnehmenden bereits im Voraus kennenzulernen und mir Ihre Namen zu merken. Während der Präsentation kann ich diese Personen ansprechen. In den allermeisten Fällen wird das sehr positiv aufgenommen. Entscheidend ist, dass ich eine positive mentale Einstellung zur Nervosität einnehme und sie zu meinen Gunsten einsetze.
- Statistiken zufolge leiden etwa 40 Prozent aller Menschen an Redeangst. Wie kann man sie überwinden?
Da kommt mir ein Bonmot in den Sinn: «Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.» Es lässt sich natürlich trefflich darüber streiten, wie viele Prozent es denn nun sind. Ich bin der Meinung, dass praktisch jeder nervös ist, aber natürlich die Nervosität unterschiedlich stark spürt. Es kann aber natürlich auch sein, dass diejenigen mit Redeangst nie in eines meiner Rhetoriktrainings kommen. Ich kann nur so viel sagen: 99 von 100 Teilnehmenden meiner Trainings konnten danach mit ihrer Nervosität umgehen.
Mein Tipp: Um die Angst zu überwinden, muss ich mir positive mentale Bilder schaffen und es tun. Ich muss aus meiner Komfortzone ausbrechen. Es ist wie z. B. beim Klavier spielen: Wenn ich noch nie Klavier gespielt habe, dann ist es auch nicht verwunderlich, dass ich es nicht kann. Entsprechend habe ich Angst auf der Bühne einem Publikum ein Stück vorzuspielen.
- Was sind wichtige Punkte in der Rhetorik? Was muss beachtet werden?
Wichtig sind Inhalt, Struktur und Vortragsweise. Der wichtigste Punkt, der über allem steht, ist allerdings: «Du darfst nicht langweilen!»
- Was sollte unbedingt vermieden werden in einer Rede? Empfehlen Sie Manuskripte? Damit keine Langeweile entsteht, sollte man 08/15-Einstiege vermeiden. Ein Beispiel: «Guten Morgen, leider hatte ich kaum Zeit mich vorzubereiten. Ich freue mich deshalb besonders, dass sie so zahlreich erschienen sind.»
Ein völliges No-Go ist das unaufhörliche Ablesen von der Folie, auch bekannt unter «betreutes Lesen». Wer ständig abliest, darf gleich zu Hause bleiben. Ich empfehle mit Stichworten, nur in den seltensten Fällen mit einem Manuskript, zu arbeiten. So bleiben die Sätze frisch.
- Braucht es dafür jahrelange Übung oder gibt es auch Tricks, die direkt umgesetzt werden können?
Wer wirklich gut werden will, wird nicht darum herumkommen mehrere Jahre zu üben. Es ist wie mit einer Fremdsprache. Wer fliessend französisch sprechen will, muss dies normalerweise über mehrere Jahre tun. Wer allerdings schon einen guten Stand hat, kann auch mit einigen Tipps schon vieles verbessern. In diesem Zusammenhang will ich die Vorbereitung erwähnen. Wer sich vorbereitet hat, weiss beispielsweise wie er beginnen wird. Ist doch schon mal viel wert, oder?
- Wenn hingegen die Angst und das Lampenfieber Überhand nehmen, kann das zu einem Blackout führen. Im Kopf ist es „dunkel“, er ist „leer“, die erforderlichen Informationen lassen sich nicht mehr abrufen, das Gedächtnis will sie nicht mehr rausrücken. Welche Strategien gibt es, um ein Blackout zu überwinden? Könnten Sie uns konkrete Tricks nennen?
Sie haben es bestimmt auch schon erlebt: Sie sassen an Ihrem Schreibtisch, sind aufgestanden und wollten etwas erledigen. Auf dem Weg dorthin ist Ihnen entfallen, was es war. Sie sind an Ihren Schreibtisch zurückgekehrt und schon wussten sie es wieder. Daraufhin sind Sie noch mal aufgebrochen und haben es erledigt. Mit anderen Worten: Es gibt schwarze Löcher. Dort ist das Blackout. Hieraus folgt der Tipp: Wenn Sie ein Blackout haben, dann bewegen Sie sich. Gehen Sie dorthin, wo etwas ist. Dieses etwas ist im Normalfall bei Ihren Notizen oder es steht auf Ihrer Folie. Auf diese Weise haben Sie das Blackout bereits überwunden, denn Sie können den Gedanken wieder aufnehmen. Dies bedingt natürlich, dass Ihre Notizen oder Folien so aussehen, dass diese Ihnen helfen sich an das zu erinnern, was Sie sagen wollten.
- Vorbereitete Referate sind ein Teil, im Geschäftsalltag muss man aber auch oft spontan das Wort ergreifen. Wie kann man sich auf solche Situationen vorbereiten?
Stegreifreden sind eine meiner Spezialitäten. Ich habe sogar «Das kleine Buch der Stegreifrede» auf Deutsch und Englisch geschrieben. Es gibt viele Techniken, die helfen jederzeit etwas spontan zu sagen. Eine bewährte Technik ist GHM. Sagen Sie etwas über Gestern, dann über Heute und schliessen Sie mit Morgen ab.
- Was hat Ihnen bei unserem letzten Training bei Adobe zum Thema Rhetorik am meisten Spass gemacht?
Am meisten Spass gemacht hat es mir, dass die Teilnehmenden derart motiviert waren. Sie haben auf mich den Eindruck erweckt, dass sie etwas lernen und im Nachgang umsetzen werden. Insbesondere die zwei Freiwilligen, die die Chance genutzt haben eine kleine Präsentation zu halten, will ich positiv erwähnen. Die beiden haben nämlich nicht nur geübt, sondern auch Feedback aus der Runde erhalten, das sie sonst nicht erhalten hätten.
- Was möchten Sie persönlich noch als Redner erreichen?
Mein grosses Ziel ist es vor 100’000 Zuschauern eine Rede zu halten, die sie inspiriert. Das Schöne an meinem Beruf als Speaker, Trainer und Coach ist es, dass ich jede Woche mehrmals auf dieses Ziel hinarbeiten kann.
Buch-Empfehlung: Der Wurm muss dem Fisch schmecken. Mit Power präsentieren und rhetorisch punkten. Von Thomas Skipwith und Reto B. Rüegger. Mehr Info: www.thomas-skipwith.com